Wasserstoff als Energieträger
Wasserstoff – Energieträger der Zukunft?
Zum 10. Juni 2020 hat die Bundesregierung die „Nationale Wasserstoffstrategie“ (NWS) verabschiedet. Das Ziel: Durch einen schnellen Markthochlauf klimaneutral erzeugten Wasserstoff und seine Folgeprodukte als Schlüsseltechnologie für die Energiewende zu etablieren. In die Förderung der Infrastruktur sollen neun Milliarden Euro fließen. Der Energieträger soll vor allem die Industrie und den Verkehr klimafreundlicher machen.
Was ist Wasserstoff?
Wasserstoff (chemisches Symbol H) ist das häufigste chemische Element im Universum: Es macht drei Viertel der gesamten bekannten Materie aus, auf der Erde liegt sein Anteil aber unter einem Prozent. Wer sich an den Chemieunterricht in der Schule erinnert, weiß, dass Wasserstoff bei Raumtemperatur gasförmig ist und immer als Doppelmolekül aus zwei Wasserstoffatomen vorliegt.
In der Regel tritt das Element Wasserstoff gebunden auf. Die größte Menge ist dabei in Wasser (H₂O) enthalten, Wasserstoff steckt jedoch in allen organischen Verbindungen und damit auch in fossilen Rohstoffen wie Erdöl und Erdgas sowie in Biomasse.
Um Wasserstoff nutzen zu können, muss das Gas zunächst aus einem wasserstoffhaltigen Ausgangsstoff abgespalten werden. Wie das funktioniert, wird im Artikel zur Herstellung von Wasserstoff erklärt. Es handelt sich bei Wasserstoff damit nicht um eine Energiequelle, sondern um einen Energieträger.
Technisch lässt sich Wasserstoff als grüner, blauer, türkiser oder grauer Wasserstoff herstellen. Wasserstoff an sich ist farblos ‒ die Farbeinteilung weist nur auf die Herstellungsart und die dabei entstehenden CO₂-Emissionen hin.
- Grüner Wasserstoff: Wird durch Elektrolyse gewonnen. Die Herstellung ist CO2-neutral (grün), weil dafür Strom aus erneuerbaren Energien – etwa Windkraft- und Photovoltaikanlagen – verwendet wird.
- Türkiser Wasserstoff: Das im Erdgas enthaltene Methan wird mittels hoher Temperaturen (Methanpyrolyse) in Wasserstoff und festen Kohlenstoff gespalten. Stammt die zur Herstellung benötigte Energie aus erneuerbaren Quellen, ist die Erzeugung klimaneutral. Allerdings ist zu bedenken, dass für die Pyrolyse viel Energie eingesetzt wird, was die energetische Effizienz reduziert.
- Grauer Wasserstoff: Wird durch die Dampfreformierung fossiler Brennstoffe hergestellt. Als Nebenprodukt entsteht CO2.
- Blauer Wasserstoff: Entsteht ebenfalls durch Dampfreformierung. Das CO2 wird danach unterirdisch gelagert. Diese als Carbon Capture and Storage bezeichnete Technologie ist allerdings kostenintensiv und unsicher.
Eigenschaften von Wasserstoff
Wasserstoff besitzt eine Reihe vorteilhafter Eigenschaften:
- rund 14-mal leichter als Luft
- farb- und geruchlos
- ungiftig, nicht krebserregend, nicht radioaktiv und nicht ätzend
- nicht wassergefährdend
- brennbar
Allerdings besitzt Wasserstoff auch einige Nachteile:
- Zur Herstellung und Weiterverarbeitung sind große Mengen Energie notwendig.
- Die geringe Molekülgröße erschwert den Transport und die Lagerung.
- Leicht entzündlich: Zusammen mit Sauerstoff bildet Wasserstoff ein explosives Gemisch. Beim Kontakt mit offenem Feuer kommt es zur Knallgasreaktion.
Wasserstoff als Energieträger
Im Vergleich zu anderen Brenn- und Treibstoffen besitzt Wasserstoff bezogen auf die Masse den höchsten Energiegehalt:
- Wasserstoff: 33,33 kWh/kg
- Methan: 13,9 kWh/kg
- Benzin: 12,0 kWh/kg
- Diesel: 11,9 kWh/kg
- Rohöl: 11,6 kWh/kd
Quelle: gas.info
Bei der Verbrennung von 1 kg Wasserstoff zu Wasser wird genauso viel Energie freigesetzt wie bei der Verbrennung von rund 3 kg Benzin. Da Wasserstoff jedoch sehr leicht ist, fällt die volumenbezogene Dichte vergleichsweise gering aus: Rund 12 m³ unverdichteter Wasserstoff enthalten in etwa so viel nutzbare Energie wie 1 l Benzin. Durch Kompression oder Verflüssigung kann eine Energiedichte, die mit der von Benzin vergleichbar ist, erreicht werden: 1 l flüssiger Wasserstoff entspricht dann 0,27 l Benzin (Quelle: planet-energie.de). Die Speicherbehälter für Wasserstoff sind jedoch schwerer als Tanks für Benzin oder Diesel.
Die Einsatzmöglichkeiten von Wasserstoff sind vielfältig. Das Gas kann entweder direkt mit Luft verbrannt oder mittels der Brennstoffzellentechnologie zur Strom- und Wärmeerzeugung genutzt werden. Brennstoffzellen gibt es sowohl für die stationäre Anwendung in Gebäuden als auch für Fahrzeuge. Wie Wasserstoffautos im Vergleich zu Elektroautos abschneiden, erfahren Sie auch im Artikel zu Wasserstoff- und Elektroautos.
Zudem lässt sich Wasserstoff in verschiedene Folgeprodukte umwandeln, darunter Kraftstoffe (E-Fuels), Grundchemikalien wie Ammoniak oder Methanol, synthetisches Methan oder Kunststoffe.
Um Wasserstoff nutzen zu können, muss das Gas erst hergestellt werden. Viele der Verfahren, die derzeit angewendet oder erprobt werden, sind mit hohen Verlusten verbunden. Bei der Elektrolyse von Wasser gehen 20–40 % der Energie verloren. Weitere Verluste entstehen bei der Komprimierung, der Verflüssigung, beim Transport und Einsatz von Wasserstoff. Meist ist es effizienter, den Strom direkt zu nutzen, statt ihn für die Herstellung von Wasserstoff zu verwenden. Hinzu kommt, dass die notwendigen Technologien noch sehr teuer sind, da sie noch nicht in Massenproduktion gefertigt werden.
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Energie aus Wasserstoff: Bedeutung für die Energiewende
Wasserstoff kann dabei helfen, fossile Energieträger Schritt für Schritt zu ersetzen und emissionsintensive Anwendungen und Produkte klimaschonender zu machen. Das Gas ist seit langem in der Industrie im Einsatz, etwa zur Herstellung von Düngemitteln. Dabei wird jedoch zu 95 % grauer Wasserstoff verwendet, dessen Klimabilanz schlecht ist. Zum Klimaschutz kann Wasserstoff nur beitragen, wenn er CO₂-neutral gewonnen wurde.
Seine größte Stärke spielt das Gas als Speichermedium für erneuerbare Energien aus. Sonnen- und Windenergie sind wetterabhängig – zu unterschiedlichen Zeiten produzieren Windkraft- und Solaranlagen unterschiedlich viel Strom. Um das Stromnetz zu schonen, werden sie zu Spitzenlastzeiten abgeregelt. Überschüsse gehen damit verloren. Werden die Stromüberschüsse nun genutzt, um grünen Wasserstoff oder eines seiner Folgeprodukte herzustellen, könnten so Schwankungen ausgeglichen werden. Ein wichtiges Schlüsselwort ist in diesem Zusammenhang die Sektorenkopplung.
Um den klimafreundlichen grünen Wasserstoff herzustellen, bedarf es aber zuallererst einer großflächigen Erschließung der Windkraft und der Solarenergie. Im zweiten Schritt muss das Stromnetz ausgebaut werden, damit der grüne Strom auch genutzt werden kann. Erst im dritten Schritt folgt die Speicherung der Energie mithilfe von Wasserstoff. Nach Einschätzung von Experten sollte Wasserstoff erst dann als Speichermedium eingesetzt werden, wenn 80 Prozent des Stroms in Deutschland aus erneuerbaren Energien kommen.
In nächster Zeit ist nicht zu erwarten, dass es grünen Wasserstoff in relevanten Mengen gibt. Das brennbare Gas wird vor allem von der Fossil-Wirtschaft als Wundermittel gepriesen, denn die kann damit weiterhin Profite machen. Das Gleiche gilt für die sogenannten E-Fuels, die eine besonders große Mogelpackung darstellen.